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02.06.2025 - Ende der Abfalleigenschaft

Info:

IKS-Fachpanel "Ende der Abfalleigenschaft"

Die rechtliche Würdigung der Abfalleigenschaft für Stoffe im Recyclingprozess ist eine entscheidende Frage für die Einbindung in Stoffkreisläufe.
Wann erhalten aufbereitete Abfallstoffe wieder Produktstatus?
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus?

Diesen und weiterführenden Fragen widmete sich das
4. IKS-Fachpanel "ENDE DER ABFALLEIGENSCHAFT"
am 2. Juni 2025, 10:50 Uhr - 16:00 Uhr
im  Dorint-Hotel Dresden Grunaer Straße 14, 01069 Dresden
zu.

In der Diskussion mit Teilnehmenden, den Referenten und Partnern wurden verschiedene Aspekte erörtert und aktuelle Arbeitsstände vorgestellt.

Nachstehend finden Sie die Tagungsbeiträge und die Zusammenfassung der Tagungsinhalte.

Programm zum 4. IKS-Fachpanel "Ende der Abfalleigenschaft"

„Ende der Abfalleigenschaft ist Luftnummer“

Dresden/Sachsen/Deutschland

Von Ivette Wagner, 07.06.2025 | IMMOCOM

Der Innovation und Kreislaufwirtschaft Sachsen e.V. hatte in Dresden zu einem Fach-Panel eingeladen. Thematisiert wurde dort die Abfalleigenschaft für Stoffe im Recyclingprozess als eine entscheidende Frage für die Einbindung in Stoffkreisläufe.

„Das Ende der Abfalleigenschaft ist eine Luftnummer.“ Mit dieser provokanten Feststellung brachte Prof. Dr. Markus Weber von der agc abfallwirtschaft GmbH eine große Problematik der Kreislaufwirtschaft auf den Punkt. „Ich höre immer wieder: Es soll was gemacht werden. Technik gibt es, die rechtlichen Gegebenheiten lassen es zu.“ Doch umgesetzt werde zu wenig. Die Behörden wolle er allerdings nicht kritisieren: „Sie müssen umsetzen, was schwierig ist.“

Der Innovation und Kreislaufwirtschaft Sachsen e.V. hatte in Dresden zu einem Fach-Panel eingeladen. Es ging um eines der großen Themen in der Bauwirtschaft: Stoffkreisläufe und damit Kreislaufwirtschaft.

Was Markus Weber konstatierte, zog sich wie ein roter Faden durch das IKS-Fachpanel. Denn obwohl Materialien heute vielfach technisch verwertbar und aufbereitet sind, ist die rechtliche Einordnung oft nicht geklärt. Der Vorstandsvorsitzende des IKS e.?V., Erich Fritz, formulierte es so: „Lange Zeit war es einfach: Was man nicht mehr brauchte, war Abfall.“ Heute sei das anders: „Material, das als Abfall galt, ist sauber aufbereitet, technisch verwertbar.“ Doch der Statuswechsel vom Abfall zum Produkt sei eben kein Bauchgefühl, sondern – so Erich Fritz – „ein klar geregelter Prozess“.

Eben dieser Prozess ist jedoch in der Praxis kaum zu fassen. Das zeigte Dr. Erik Nowak vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie. Er betonte die Kluft zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Rechtsrahmen: „Das Recht hängt der Wirtschaft um Meilen hinterher.“ Noch immer werde viel in Einzelfallentscheidungen gedacht. Es fehle an gesetzlich klaren Rahmenbedingungen – besonders in den Kommunen: „Die sind überlastet.“ Für Erik Nowak steht fest: „Abfallrecht und Wirtschaft gemeinsam zu denken, ist schwierig. Wirtschaft will es einfach, die Gesetzgebung zu Bau- und Abfallwirtschaft ist sehr komplex.“ Dazu kommen noch Unterschiede in den einzelnen Bundesländern.

Dr. Peter Kersandt von der Kanzlei Andrea Versteyl Rechtsanwälte verwies auf die unterschiedliche Handhabung. Ein Fallbeispiel: Bodenaushub. Wird dieser ohne Aufbereitung direkt auf eine andere Baustelle gebracht, handle es sich nicht um Abfall. Erst bei einer Aufbereitung und späterer Verwendung greife das Abfallrecht. Peter Kersandt plädierte für einfache, nachvollziehbare und umsetzbare Lösungen. Doch in der Realität klaffe eine Lücke zwischen Recht und wirtschaftlicher Notwendigkeit: „Es obliegt den Behörden, mit dem Abfallende umzugehen.“

Ein Ausblick auf mögliche europäische Lösungen kam von Dr. Ralf Burgstahler, Chemiker und Biologe bei der Solunis GmbH. Er sieht die französische Bauordnung als mögliche Blaupause für einen EU-weiten Umgang mit dem chemischen Recycling von Kunststoffabfällen. Dass neue Wege mit Unsicherheiten verbunden sind, sei klar – doch der Handlungsdruck wachse stetig. Denn die klassische Trennung – hier Abfall, dort Produkt – steht der zirkulären Wertschöpfung im Weg. Die bisherigen Grenzen verhindern Innovation. Wie derzeit fast überall in der Immobilienbranche fehlt es an einer Verzahnung von Recht, Verwaltung, Forschung und Praxis – also ein weiteres Dauerhindernis für die Kreislaufwirtschaft.

IMMOCOM

Statements aus der Praxis mit anschließender Diskussion

Freiberg/Sa., Juni 2025
Dr. rer. pol. Michael Hanke | Vorstand IKS e.V.

Gegenstand des zweiten Teils des Panels waren Statements ausgewählter Unternehmen zum Thema Ende der Abfalleigenschaft und deren der Relevanz bei den unternehmerischen Aktivtäten.


Am Beispiel Gallium-Kreislauf bei der Halbleiterherstellung hat Dr. Stefan Eichler (Freiberger Compound Materials GmbH) die Thematik Abfall oder Wertstoff aufgegriffen. Im Produktionsprozess kann der Wertstrom linear oder als Kreislauf stattfinden (Wertstromanalyse). Dabei wurde durch ihn zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung im Kontext mit dem Ende der Abfalleigenschaft unterschieden.

Bei der Halbleiterherstellung findet der Produktionsprozess bereits als Wertstoffkreislauf statt. Ziel ist es zur Verringerung der Abhängigkeit von Rohstoffen (Virgin Ga 6N), welche aus China importiert werden, die Gallium-Recyclingquote von aktuell 50% auf 80% zu erhöhen.

Wiederverwertbare Abfälle sollten zukünftig als Wertstoffe verstanden und nur noch die Abfälle zur Beseitigung als Abfall definiert werden. 

In seinem Statement hat Holger Vogel (SUC GmbH) sich auf das Recycling von Abfallstoffen bezogen. Durch die Konfektionierung von Abfällen werden diese für neue Märkte zur Wiederverwendung bereitgestellt. Aus Abfall können durch dieses Verfahren neue Produkte entstehen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetze und Verordnungen zum Umgang mit Abfällen sind für die Genehmigung der Produktionsprozesse die zuständigen Behörden frühzeitig zu beteiligen. Ziel ist es Verständnis sowohl beim Unternehmen als auch bei der Behörde für die verschiedenen Belange zu erreichen und an einer gemeinsamen Problemlösung in Vorbereitung einer Einzelfallentscheidung zu arbeiten.   

Auf die Praxisprobleme durch die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) und Mantelverordnung hat Stephan Wadulla (REIKAN Mineralik GmbH) verwiesen. Es fehlen klare Kriterien für ein Ende der Abfalleigenschaft von Ersatzbaustoffen. Rechtliche Unsicherheiten beim Vertrieb, Akzeptanzprobleme, hoher bürokratischer Aufwand, Einbauverbote und behördliche Vorbehalte sind Praxisprobleme für Entsorgungs- und Bauunternehmen. Eine klare bundesweite Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft, die Anpassung der Einbauvorgaben an tatsächlichen Umweltrisiken und die Förderung der Produktanerkennung und Markttransparenz durch Politik und Verwaltung sind bspw. Forderungen der Branche. 

Durch Markus Reissner (PreZero Pyral GmbH) wurde das „End of Waste“ aus Sicht der Wiedergewinnung von Aluminiumleichtverpackungen aufgezeigt. „Mit Aluminium ist es leicht, die Kreisläufe zu schließen.“ Ersatzbrennstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen stellen Probleme dar. Bisher fehlen EU-einheitliche Kriterien zum „End of Waste“. Material bleibt rechtlich Abfall. Fester Sekundärbrennstoff (SRF - solid recovered fuels) als Ersatz für Öl/Kohle kann trotz Nachfrage in der EU nicht frei exportiert werden. Die Förderung bilateraler Pilotprojekte (DE-PL, DE-CZ) könnte als Blaupause für grenzüberschreitende Lösungen in der EU genutzt werden.


An der anschließenden Diskussion, welche von Dr. Peter Kersandt (AVR) moderiert wurde, haben neben den obigen Unternehmern auch die Referenten des 4. Panel teilgenommen.

So wurde bspw. darauf verwiesen, dass für die Einordnung der „Reststoffe“ als Abfall oder Wertstoff die Unternehmen verantwortlich zeichnen. Ein Anspruch auf einen Erlass seitens der Behörde zum Ende der Abfalleigenschaft besteht nicht. Ziel ist es Werte durch Kreislaufwirtschaft als Business-Case zu erhalten (Wertschöpfungskette).

Seitens der EU ist zur Gestaltung neuer Regelungen zum „End of Waste“ ein Umdenken notwendig. Die derzeitigen Einzelfallentscheidungen sollten durch einheitliche, europaweite Regelungen ersetzt werden.

Vor dem Hintergrund, dass es keine Baustoffe ohne Schadstoffe gibt, würde eine Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft von allen mineralischen Ersatzbaustoffen deren Akzeptanz für einen Einsatz steigern. 

In einem kurzen Fazit der Veranstaltung bleibt festzustellen, dass weiterer Handlungsbedarf in Sachen Ende der Abfalleigenschaft besteht. Vorhandene Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren sollten ausgebaut und Initiativen für einheitliche Regelungen auf europäischer Ebene intensiviert werden.

Die Veranstalter des Panels, der Innovation & Kreislaufwirtschaft Sachsen (IKS) e.V. und die Andrea Versteyl Rechtsanwälte (AVR), beabsichtigen das Thema Ende der Abfalleigenschaft im Focus zu behalten und die weitere Entwicklung zum Gegenstand einer nächsten Veranstaltung zu machen.

Unser Dank gilt den beteiligten Referenten für ihre fundierten Beiträge, den Unternehmen für ihre interessanten Erfahrungsberichte und allen Teilnehmern, welche durch ihr Kommen und Diskussionsbeiträge zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.